Der Traubenkocher

Wir sind mitten in der Traubenernte, dem emotionalen Höhepunkt im Winzerjahr. Hier in der Bündner Herrschaft zieht ein kräftiger Föhn, der berühmte «Traubenkocher». Es sieht nach einem guten Ertrag aus –  trotz dem anspruchsvollen Wetterjahr: Zuerst Dauerregen im Mai, es folgten ausgesprochen heisse und trockene Perioden, der August war wiederum sehr wüchsig, und dann haben uns Starkregen und Hagel noch einen Streich gespielt.

Die Stimmung im Rebberg ist fröhlich und entspannt, obwohl es dieses Jahr einiges an Feinarbeit braucht: Die Beeren auf der Wetterseite wurden vor ein paar Wochen vom Hagel beschädigt. So sind sie zum beliebten Ziel für die Eierablage der Essigfliegen geworden. Diese versehrten Beeren schneiden wir nun einzeln heraus.

Wir sind wie jedes Jahr mit der Ernte unserer Gamaret-Trauben etwa zehn Tage früher dran als der Blauburgunder in der Nachbarschaft – das liegt in der Natur der Traubensorten. Aber wann ist der richtige Erntezeitpunkt? Wann haben meine Trauben den Zenith erreicht? Soll ich sie noch vor dem angekündigten Regen ernten? Oder soll ich dieses Risiko eingehen, und darauf hoffen, dass die folgenden Sonnentage den Trauben kostbare zusätzliche Reife bringen? Ich habe mich dafür entschieden, vor dem Regen zu ernten. Der unangekündigte «Traubenkocher» scheint mich nun dafür zu belohnen.

Jeden Tag fahren wir die Ernte direkt in den Weinkeller nach Basel. Hier wird am Abend abgebeert, das heisst, wir trennen die Beeren von den Stengeln. Anschliessend werden die Beeren gequetscht und die Maische – also Saft, Kerne und Traubenhaut – kommen in den Tank zum Gären.

Dank den vielen Helferinnen und Helfer sind wir gut voran gekommen. Heute Nachmittag, direkt vor dem Wetterumschwung, sind wir mit der Lese fertig geworden. Jetzt haben wir auch den letzten genussvollen Lunch zum Tagesabschluss genossen – und die Rückenschmerzen und verschnittenen Finger sind vergessen.

Ganz herzlichen Dank allen, die mitgeholfen haben.