Wir schneiden!
«Den Rebstöcken geht es prächtig, sie sind stark und gesund», erklärt Naemi Zurbrügg. Sie ist Winzerin bei vinigma, und steht mit der Rebschere bei grauem Winterwetter im Jeninser Rebberg – zusammen mit Vollblutwinzer Severin Fatzer. Der Winterschnitt der Reben ist eine ihrer Lieblingsarbeiten. Mit Begeisterung erklärt sie: «Unsere Rebstöcke haben sich nach einer kleinen, aber guten Ernte von einem eher schwierigen Jahr gut erholt. Jetzt sind sie im Winterschlaf und geniessen ihre winterliche Vegetationspause. Sie haben im Herbst ihre Säfte in ihre Wurzeln zurückgezogen – und alles Grüne ist verholzt. Wir sprechen deshalb gerne von Saftruhe.»
Im Januar und Februar ist es Zeit, die Reben zu schneiden. Dabei werden etwa 80% des einjährigen Holzes entfernt. «Wir wollen das ungestüme Wachstum der Pflanze im Schach halten. Ohne Schnitt kämen wir schnell nicht mehr zwischen den Reihen durch», berichtet Naemi. Die Reduktion des Höhenwachstums sei wichtig, damit die Trauben in etwa auf der gleichen Höhe wachsen, und so gleichzeitig reif werden. «Beim Schnitt treffen wir Entscheidungen, welche die weitere Entwicklung der Pflanze in diesem aber auch in den darauffolgenden Jahren prägen werden.»
Um was geht es beim Rebschnitt genau? Naemi zieht sich die Handschuhe aus und beschreibt es wie folgt: «Wir bestimmen eine oder zwei neue Fruchtruten, die wir stehenlassen. Diese Triebe sollen im nächsten Jahr Früchte tragen. Allenfalls kommen auch ein oder zwei Reserven dazu, die dann im nächsten Jahr zum Zuge kommen. Um diese Auswahl treffen zu können, schauen wir sehr genau, wie es der Pflanze geht und wie stark sie ist. Jede Pflanze ist ein Charakterkopf und steht in ihrer Entwicklung an einem anderen Ort. Wir fragen uns sorgfältig, was der Schnitt mit der Pflanze macht? Was tut ihr gut? Wie viel Ertrag können wir ihr zumuten?» Dann ergänzt sie: «Es gibt ganz unterschiedliche Arten, wie der Schnitt gemacht wird. Aus meiner Sicht ist das vor allem eine sehr persönliche Arbeit, die von mir Einfühlungsvermögen und Erfahrung erfordert.» Und lachend schiebt sie nach: «Und ich muss ganz viele Entscheidungen fällen. Ich glaube, das ist der Grund, warum Valentin diese Arbeit nicht gerne macht…»
Im weiteren Gespräch erklärt Naemi dann, dass das Ziel des Schnittes sei, die Balance zwischen Quantität und Qualität des Ertrags zu planen. Mehr Schneiden bedeute eine geringere Ertragsmenge dafür eine höhere Qualität, weniger Schneiden bewirkt das Gegenteil. Später erzählt sie, dass nach dem Schnitt das Holz zusammengetragen, gehäckselt und als natürlicher Dünger wieder im Rebberg verteilt werde.
Sobald im April der Boden wieder wärmer wird, steigen die Säfte hoch und der neue Vegetationszyklus beginnt. Dann werden die Reben hoffentlich so wachsen, wie es Naemi vorausgesehen hat.